Schuldgefühle als Ersatzkind – Typische Sätze – Klare Antworten

Lesedauer 10 Minuten

Permanent Schuldgefühle erleben zu müssen, das gehört zu den tiefsten Wunden, die Ersatzkindern zugefügt werden. Sie legen sich von Beginn des Lebens an wie eine schwarze Decke über all die Freude, die Leichtigkeit, die Neugier und die ungestüme Lebenslust, die eine Kindheit doch eigentlich ausmachen sollte. Eine Decke, die erstickt. Ein Großteil unseres Lebens, so fühlt es sich für mich an, ist dem Kampf gegen diese Schuldgefühle gewidmet. Dem Ausweichen, oft auch der Unterwerfung unter fremde Wünsche, nur um endlich diesen Schmerz nicht mehr spüren zu müssen. Das ist kein Witz. Das ist Manipulation mit manchmal lebensentscheidenden Folgen.

Schuldgefühle haben für Menschen mit Ersatzkindsyndrom eine existenzielle Dimension

Manipulation über Schuldgefühle. Was bei Menschen mit anderen Biografien schon toxisch und schlicht und ergreifend mies ist, wirkt bei einem Ersatzkind noch viel tiefer. Denn wo das Leben mit dem Tod beginnt, erhält Schuld eine existenzielle Dimension.

Viele Sätze, offen ausgesprochen oder unterschwellig vermittelt, transportieren eine Botschaft: Deine Existenz ist nicht selbstverständlich, du musst sie rechtfertigen.

Wer hier ansetzt, um seinen Willen durchzusetzen, der kämpft nicht einfach nur mit harten Bandagen: Er schlägt ganz gezielt unter die Gürtellinie. Das ist jenseits aller Fairness. Das ist nicht selten auch sadistisch.

Um so wichtiger ist es für uns, die wir schon genug mit dem Ersatzkindsyndrom zu tun haben, die Tricks zu kennen und sie klar zu kontern. Denn wer uns Schuldgefühle machen will, der verfolgt ein Ziel. Und das liegt nicht in unserem Interesse.

Ein kleiner Junge im Comic-Stil auf einer nächtlichen Waldlichtung allein. Ein Damoklesschwer über ihm. So setzen Schuldgefühle an unserer wertvollsten Stelle an: Unserem Herz und unserer Menschlichkeit.

Schuldgefühle setzen unsere guten Seiten als Waffe gegen uns ein

Denn wer auch immer es ist, diese Person setzt genau an der Stelle an, die uns menschlich macht: Empathisch, gefühlvoll, sensibel und verantwortungsbewusst. Sie dreht diese wunderbaren Eigenschaften um und richtet sie gezielt als Waffe gegen uns.

Ich persönlich habe in den Fängen von Schuldgefühlen in meinem Leben bereits so viele Fehlentscheidungen getroffen, dass ich mich manchmal frage, welchen Weg mein Leben genommen hätte, wenn ich hätte frei entscheiden können. Aus diesem Grund habe ich heute absolut keine Toleranz mehr, wenn ich merke, dass ich ausgerechnet über Schuldgefühle manipuliert werden soll. Keine. Da ist es mir dann auch egal, wer mir gegenübersteht.

Deshalb schreibe ich hier und auf unserer Webseite Sinn und Werte gerade sehr ausführlich über die miese Masche der Schuldmanipulation: Wie funktioniert sie allgemein und bei Ersatzkindern im Besonderen? Wie kann man sich ganz allgemein dagegen wehren? Welchen besonderen Herausforderungen steht ein Ersatzkind gegenüber, wenn es angesichts von Schuldzuweisungen Grenzen setzt?

Sprache dockt ans Gefühl an und treibt uns zu seltsamen Entscheidungen

Und heute habe ich auf Sinn und Werte 77 Sätze zusammengetragen, die gern dafür genutzt werden, unser logisches Denken und unseren freien Willen gezielt zu unterwandern.

Dieser Artikel hier geht darüber hinaus und noch ein wenig tiefer: Er befasst sich mit Äußerungen, die bei anderen Menschen vielleicht keine Wirkung zeigen würden. Bei uns dagegen um so mehr.

Vielleicht kommt euch der eine oder andere Satz auch bekannt vor.

Sie sind toxisch, hindern am Leben. Doch ich meine, es gibt für jedes Gift auch ein Gegengift. Hier habe ich meine Gedanken dazu gesammelt. Falls ihr noch weitere Ideen dazu habt, freue ich mich über eure Anregungen in den Kommentaren.

Ein kleiner Junge im Comic-Stil steht vor einer dunklen riesigen Figur mit grellen Augen. So fühlt es sich für ein Ersatzkind an, wenn es nichts richtig machen kann und ihm ständig Schuldgefühle gemacht werden.

Sätze, die Schuldgefühle auslösen

„Du lebst, weil deine Schwester gestorben ist.“

Dein Leben wird von Anfang an mit dem Tod verknüpft und macht dein Dasein scheinbar abhängig vom Verlust. Deshalb sollst du nun gehorsam sein und dauerhafte Dankbarkeit zeigen. Tatsächlich entsteht daraus für dich ein Gefühl von Überlebensschuld, Selbstabwertung. Du bekommst vielleicht Angst davor, Freude zu empfinden und spürst den Druck, alles „wett“ machen zu müssen. Der Satz behauptet eine falsche Kausalität und stellt dein Leben als ein Tauschgeschäft dar: Dein Leben als Preis für den Tod des anderen. So wird Loyalität mit Schuld bezahlt und Identität an das Schicksal eines anderen Menschen gebunden. [1], [4].

Doch ist das wirklich so? Ich habe die Vorstellung, dass geboren wird, wer geboren werden soll.

Mein Gegengift: Ich spüre, dass ich lebe, weil das Schicksal, Gott, das Universum, das Leben an sich ja dazu gesagt hat. Und das ist gut so.

„Du bist nur hier, weil dein Bruder nicht mehr ist.“

Es fühlt sich an, als müsstest du in eine Lücke passen, die niemand füllen kann. Und nun funktioniere, tröste, stifte Sinn! Das schafft Scham, bringt dich in Zweifel über deine eigene Identität und macht Angst, das eigene Licht zum Leuchten zu bringen. Es wirkt fast so, als wäre Liebe ein knappes Gut, das nur der Eine oder die Andere beanspruchen könne.

Tatsächlich jedoch dürfen Erinnerung und Leben nebeneinander bestehen. Niemand nimmt jemandem etwas weg. Liebe ist da, oder eben auch nicht. Wenn für das nachgeborene Kind keine Liebe da ist, dann ist das bitter und muss betrauert werden. Dass diese Liebe vom Vorgänger „festgehalten“ wird oder anderenfalls dem verstorbenen Kind „weggenommen“ würde, dass man sie erkämpfen könnte, indem man das verstorbene Kind übertrifft oder – vielleicht viel schlimmer noch – dem verstorbenen Kind etwas wegnimmt, was diesem zustände, das halte ich wirklich für eine Fantasie. [2] [4]

Mein Gegengift: Fromm formulierte die Aussage: „Unreife Liebe sagt: Ich liebe dich, weil ich dich brauche. Die reife Liebe sagt: Ich brauche dich, weil ich dich liebe.“ Liebe ist absichtslos. Worum immer ich glaube, mit meinen Vorgängern kämpfen zu müssen: Um Liebe handelt es sich vermutlich nicht.

„Es hätte dich an seiner Stelle treffen sollen.“

Was für eine fürchterliche Tauschlogik!

Im Affekt geäußert oder unausgesprochen vermittelt: Tatsächlich folgen daraus Sühnegedanken, Selbstabwertung, suizidnahe Gedanken, Risikoverhalten oder ein Leben weit unter deinen Möglichkeiten. Und dabei handelt es sich nur um eine Fantasie: Wirksam wehrst du dich, in dem du die Realität prüfst: Der Tod war nicht verhandelbar, Leben ist nicht austauschbar.

Aber mal ganz ehrlich: Wer so etwas sagt, was für einen Respekt zeigt der für dein Leben? Und welche Macht möchtest du ihm dann noch geben? [1][6]

Mein Gegengift: Ich lebe mein eigenes Leben. Und niemand hat das zu bewerten.

Um es mit den Worten einer sehr schönen Liedzeile zu sagen: Mich zu hassen bleibt verboten.

„Wenn du glücklich bist, verrätst du die Toten.“

So fühlt sich Freude an wie Verrat und hält dich in einer Trauer fest, die gar nicht deine ist. Beabsichtigt wird die Kontrolle deiner Gefühle, Loyalität zum Familienkummer.  Vielleicht ist da auch ein wenig Neid auf deine Leichtigkeit im Spiel – wer weiß? Tatsächlich kann das bewirken, dass es dir schwerfällt, Freude zu empfinden, Selbstsabotage und das Gefühl von Schuld begleiten dich bei jedem Versuch, aufzublühen. Hier wird Loyalität fälschlich mit Leid gleichgesetzt und die elterliche Trauer ins Eigene übernommen.

Doch in Wahrheit wird niemand durch Freude entehrt. Genauso wenig wie dein loyales Leiden auch nur irgendjemandem nützen würde. [6][4]

Mein Gegengift: Ich darf erinnern, bedauern, trauern und glücklich sein zugleich.

„Du darfst nicht vergessen, dass du an seiner Stelle lebst.“

Diese Dauermahnung zwingt dich zu Konformität und Selbstüberwachung. Bei jedem Abweichen fühlt es sich an wie ein Bruch mit der Familie.

Doch niemand lebt anstelle von. Und niemand kann oder sollte so sein, wie ein anderer gewesen wäre. Warum auch? Damit würdest du der Welt doch deine Einzigartigkeit vorenthalten! [4][9]

Mein Gegengift: Es ist mein Leben. Und darüber entscheide ich ganz allein.

„Dein Leben muss den Tod ausgleichen.“

Das macht aus deiner Biografie ein Sühneprojekt. Das führt zu Überforderung, Perfektionismus, Angst vor jedem Scheitern und Freude, die nur unter Bedingungen sein darf. [4][6]

Doch was soll diese Sühnelogik? Dein Wert hat überhaupt nichts damit zu tun, was du bezahlst. Weder, indem du dich um die Gefühle anderer kümmerst, noch indem du besondere Leistungen erbringst. Und was soll das überhaupt heißen: Einen Ausgleich schaffen. Wogegen, wofür? Tod ist tragisch. Leben ist ein Geschenk an sich. So viel leisten, dass ein Tod wettgemacht wird, kann ohnehin niemand. Und das muss auch niemand.

Mein Gegengift: Das Leben – mein Leben – wird dann sinn- und wertvoll, wenn es mit meinen ganz eigenen Gaben ausgefüllt wird.

„Würdest du nicht leben, wären deine Geschwister noch da.“

Ja, Cain und Cain berichten wirklich von Eltern, die so fühlen. Doch dieser im wahrsten Sinne des Wortes verrückte Gedanke, dieses magische Denken, unterstellt eine Kausalität, die es natürlich nicht gibt. Und lädt dir den Tod des anderen als dein persönliches Verbrechen auf. Dadurch entstehen massive Schuldgefühle, Angst vor Erfolg und ein Drang zur Selbstbestrafung. [1][6].

Wirksam wehrst du dich, in dem du die Fakten betrachtest: Der Tod des Kindes ist eine Tragödie, die absolut gar nichts mit deiner Geburt zu tun hat.  Natürlich hast du die Erlaubnis zu leben.

Mein Gegengift: Dieser Gedanke ist verrückt. Die Erlaubnis zu leben, gibt mir das Leben selbst.

„Du lebst auf Kosten des Toten.“

In Amsterdam erfuhr ich am Wochenende: So muss es nach biografischen Forschungen auch Vincent van Gogh empfunden haben. Und auch ich hatte lange das Gefühl, irgendwie eine Schmarotzerin zu sein.

Nur: Wenn das Leben ein Diebstahl gewesen sein soll, macht das aus deiner Existenz ein Moralproblem. Nun sei auf ewig dankbar, gehorsam, klein und arbeite die Schuld ab.  Du verzichtest auf Freude und Nähe und darauf, dich selbst zu behaupten. Doch Leben ist etwas, das niemand besitzen kann. Leben ist auch kein Nullsummenspiel. Es ist ein Geschenk, kein Besitz. Die Diebstahlsfantasie gehört an den Absender zurück. [6][4]

Mein Gegengift: Ich lebe. Ich selbst bin ein Geschenk. Ich weiß das. Das reicht.

Es ist nicht leicht, sich gegen solch unfaire Aussagen zu behaupten. Schon gar nicht als kleiner Mensch. Und leider ist mit dem Ende der Kindheit das Schuldgefühl nicht verschwunden. Die Themen ändern sich, doch das Muster bleibt:

Ein kleiner Junge im Comic-Stil steht einem Monster. Das Monster ist auf Augenhöhe, aber es ist immer noch ein Monster. Auch im Erwachsenenalter fühlen wir oft noch die Schuldgefühle, mit denen wir als Kind manipuliert wurden.

Sätze, die auch im Erwachsenenalter die Schuldgefühle der Kindheit aufleben lassen

„Sei dankbar dafür, dass ich mit dir zusammen bin.“

Tatsächlich gibt es Beziehungen, die dir das Gefühl geben, so „belastet“ wie du bist, kannst du froh sein, überhaupt noch einen Partner oder eine Partnerin gefunden zu haben. Das bindet Liebe an Dankbarkeit und Verfügbarkeit. So wirken Grenzen wie Undank und Kritik wie Verrat. Tatsächlich erzeugt der Satz Überanpassung, Selbstverrat und Erschöpfung; jede eigene Bitte, die du an deinen Lieblingsmenschen richtest, fühlt sich an, als würdest du irgendwie schuldig werden.  Aber du bist jetzt erwachsen: Zuwendung ist nicht mehr von deiner Nützlichkeit abhängig und Autonomie absolut nichts Schlechtes.

In einer schönen Partnerschaft ist echte Dankbarkeit niemals einklagbar sondern frei. Bedürfnisse mindern die Zuwendung nicht. Und auch mit Grenzen kann man in Beziehung bleiben. Und wenn du in deiner Beziehung dennoch das Gefühl hast, dich zwischen dir selbst und der Liebe des Anderen entscheiden zu müssen, ja, dann ist es vielleicht doch noch nicht die richtige Beziehung.  [6][4][9][1].

Mein Gegengift: Wer meinen Wert nicht sieht, hat auch in meinem Bett nichts zu suchen.

„Wenn du versagst, war der Tod umsonst.“

Das koppelt Lernen an Sühne und macht Leistung zur Schuldtilgung. Du entwickelst Perfektionismus, Prüfungsangst, beginnst, bestimmte Situationen zu meiden, in denen du scheitern könntest, leidest unter Erschöpfung und Selbstabwertung. Doch Neugier, Fehler, Lernen: All das gehört zur Entwicklung. Alles andere blockiert deine Individuation und die Freiheit, dich zu entwickeln. [6][4][7][1]

Mein Gegengift: Der Tod war umsonst. Mein Leben hat einen Wert an sich. Höhen und Tiefen gehören dazu.

„Andere hätten deinen Job eher verdient, also mach keine Umstände.“

Vielleicht hat ein anderer deine Arbeitsstelle eher verdient?

Das ist das Echo der Kindheit: Darf ich überhaupt da sein? Habe ich einen Platz? Die Folge sind Überanpassung, Burnoutrisiko, Selbstabwertung und Angst, deine berechtigten Ansprüche geltend zu machen. Du denkst, dass dein Daseinsrecht wieder über Leistung „verdient“ werden soll. Deine Arbeitsstelle fühlt sich disponibel an, als wäre sie nicht durch einen Vertrag gesichert.

Doch in der Realität hast du genau die gleichen Rechte wie jeder andere auch. Du darfst Grenzen setzen, verhandeln, professionell auftreten, kooperieren, deine Meinung sagen und deine Würde wahren. Wie jeder, wie jede andere auch. Du bist erwachsen.  [6][4][7][9]

Mein Gegengift: Ich habe diesen Job, weil ich dafür die Kompetenz besitze.

„Nach allem, was passiert ist, ist Ausruhen Luxus. Leiste was!

Hier wird wieder dein Leben an deine Funktion geknüpft. Freizeit wird zur moralischen Pflichtverletzung erklärt. So bleibst du in Daueranspannung, hast keine Freude an Schönem und meidest Aktivitäten, die dir selbst gut tun würden. Ruhe fühlt sich „unverdient“ an.

Tatsächlich jedoch musst und darfst du auftanken, um gut leben und lieben zu können. Niemand, der es gut mit dir meint, hat etwas davon, wenn du ausbrennst. Wirklich niemand. Schau mal genau hin: Fällt dir etwa jemand ein? [6][4][7]

Mein Gegengift: Wenn ich dafür sorge, dass es mir langfristig gut geht, dann ist die Welt insgesamt auch ein ganz kleines bisschen besser.

„Wie kannst du Geld für dich ausgeben? Du darfst nicht an dich denken.“

Das koppelt Geld an Schuld und Loyalität. Du lebst in Askese, entwickelst Schuldgefühle, wenn du dir etwas gönnst, bleibst abhängig.  Deine Ressourcen gehören gefühlt den anderen, du meinst, von dir würde Verzicht verlangt. In gewisser Weise wird Geld zum Liebesbeweis. Auch das kenne ich selbst sehr gut und ich denke, das ist auch ein Echo der Kindheit, in der es mir nicht besser gehen durfte als dem Toten.

Doch wem gehört denn mein Einkommen, wenn nicht mir selbst? Meine Unterstützung ist freiwillig und hat Grenzen. Und die Verantwortung dafür liegt ganz allein bei mir. [6][4][7][9]

Mein Gegengift: Mein Leben, mein Einkommen, meine Entscheidung. Keine Diskussion.

Ein kleiner Junge im Comic-Stil. Seine Silhuette vor gespenstisch leuchtendem Hintergrund greift die Hand eines riesigen Monsters. So können auch im Erwachsenenalter noch alte Ängste so verletzlich machen, dass wir manipulierbar sind.

Damals konnten wir uns nicht wehren. Heute haben wir es selbst in der Hand.

Das ist nur eine kleine Auswahl an Sätzen, mit denen ich und auch andere Ersatzkinder manipuliert wurden und werden. Schuldgefühle bieten Einfallstore, über die wir leicht steuerbar sind. Ich glaube, wenn man sich dessen bewusst ist, dann ist schon viel gewonnen.

Diese Schuldgefühle haben mit unserer Geschichte zu tun. Und ganz persönlich glaube ich, niemand von außen wird sie uns dauerhaft nehmen können. Muss es auch nicht. Sei es, weil es nicht die Aufgabe anderer Menschen ist, uns von unseren eigenen Dämonen zu befreien. Sei es, weil nur wenige sich vorstellen können, wie existenziell sie sind. Schließlich begann unser Leben in einem Klima von unerträglichem Schmerz. Im Schatten eines Toten.

Denn die Realität ist auch: Wir sind jetzt erwachsen. Die Zeit, in der wir auf Gedeih und Verderb diesem Familienklima ausgeliefert waren und weder kämpfen noch fliehen konnten, ist Jahre oder Jahrzehnte her. Und dann sollte es nicht möglich sein, einmal eine neue Erfahrung zu machen? Die, die uns zeigt, dass wir heute auf eigenen Füßen stehen können? Die uns fühlen lässt, dass wir der Vergangeheit nicht mehr verpflichtet sind? Und wir es, wenn wir mal nüchtern draufschauen, doch auch nie waren?

Es ist ein Abenteuer, sich auf neuen Boden zu begeben. Um zu erleben, dass er trägt.

Er trägt. So wie er jeden anderen Menschen auf dieser Welt trägt. Unabhängig von seiner Biografie. Auch uns wird die Erde nicht verschlucken, wenn wir beginnen, unser eigenes Leben zu gestalten. Wir müssen es nur mal ausprobieren. Das ist alles.

Die Silhouette von einem kleinen Jungen im Comic-Stil an der Hand einer Frauenfigur geht in den Sonnenuntergang und lässt das Monster hinter sich. Vögel am Horizont. Wir sind erwachsen und können nun das kleine verängstigte Kind an die Hand nehmen und für uns selbst sorgen.

In diesem Blogartikel verwendete Literatur

[1] Cain, A. C., & Cain, B. S. (1964). On replacing a child. Journal of the American Academy of Child Psychiatry, 3(3), 443–456.
[2] Schellinski, K. E. (2007). Das Leben nach dem Tod – Die Problematik des Ersatzkindes zwischen Wiederauferstehung und Selbst‑Geburt [Vortragshandout]. Freiburger Forum.
[3] Schellinski, K. (2009). Life after death: The replacement child’s search for self. Association of Graduate Analytical Psychologists.
[4] Schellinski, K. E. (2020). Individuation for adult replacement children: Ways of coming into being. Routledge.
[5] Hirsch, M. (2007). Scham und Schuld – Sein und Tun. Plenarvortrag, Lindauer Psychotherapiewochen.
[6] Hirsch, M. (2017). Schuld und Schuldgefühl: Zur Psychoanalyse von Trauma und Introjekt (7., überarb. Aufl.). Vandenhoeck & Ruprecht.
[7] Alsdorf, F. (2017). Auswege aus dem Scham‑Angst‑Zyklus. IGNIS Akademie.
[8] Abramovitch, H. (2014). Brothers & sisters: Myth and reality. Texas A&M University Press.
[9] Kernberg, O. F. (2023). Hatred, emptiness, and hope: Transference‑focused psychotherapy in personality disorders. American Psychiatric Association Publishing.

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